Hamburger Stimmsymposium 2025 Marzipan

Hamburger Stimmsymposium 2025

Ich war das dritte Mal auf dem Hamburger Stimmsymposion, kurz Hamss, weil es sich einfach lohnt.

Ich liebe die Atmosphäre, ich mag das Netzwerken, ich freue mich jedes Mal darauf, wen ich wieder treffen werde. Und die Themen sind so wunderbar gemischt. Gerade dieses Mal waren etliche neurologische und neuro-biologische Themen enthalten, die meine Gedanken über meine eigene Arbeit sehr bereichert haben.

Und ich mag diese Mischung aus Medizin, Stimme und Kunst. Es spiegelt die Arbeit des Medical Voice Centers, wo Stimmchirurgie mit Logopädie, manueller Stimmtherapie und Gesangspädagogik zusammen kommt. Eine Art Dream-Team, was sich gegenseitig sehr inspiriert und damit auch uns, die Kongressteilnehmer:innen in die verschiedenen Bereiche mitnimmt.

Und auf dem Symposion jedes Jahr lernt man das Team sehr gut kennen.

Dieses Jahr war ich als Referentin eingeladen

Ich hatte dies Mal das große Vergnügen als Referentin eingeladen zu sein. Obwohl ich die Tage vorher noch krank war, schaffte ich es auf die fast letzte Minute, doch noch in Hamburg anzukommen. Und damit startete für mich das Hamburger Stimmsymposium am Freitag Abend mit dem Referent:innen Essen beim Italiener. Die Gespräche waren so schön, das Essen war so lecker, dass ich leider vergessen habe, Fotos davon zu machen, obwohl ich doch sonst immer wieder zwischendurch an Social Media denke. 😉

Auch ich habe Nerven

Ich hielt einen Vortrag am Samstag mit dem Thema “Das Hirnnerven-Orchester” – neurowissenschaftliche Perspektiven auf die Stimme. Doch bevor mein Vortrag losging, durfte ich gleich meine eigene Medizin schlucken, denn vor lauter Aufregung hatte ich die Umsteigehaltestelle verpasst, musste nochmal zurückfahren und war dann wieder nicht sicher, ob ich nun in der richtigen U-Bahn saß. Typisch Hilkea, Orientierung war noch nie so meins, obwohl ich mich theoretisch bestens damit auskenne. 😅

Aber mein Nervensystem bekommt es dann doch irgendwie wieder hin.

Ich habe ganz bewusst tief geatmet – kein Problem für mich als Sängerin, habe meine Füße auf dem Boden und mein Becken auf dem Sitz verankert. Dann habe ich eine Nachricht an meine Kollegin geschrieben, die im Notfall die Information weitergegeben hätte, habe die Zeit kontrolliert und habe mir gesagt, dass nichts Lebensbedrohliches passieren wird, wenn ich nicht ganz pünktlich bin. Es gibt immer eine Lösung, das ist meine Erfahrung. So blieb ich relativ ruhig und kam ganz konzentriert um 9:29 im Vortragssaal an. Der Vortrag sollte 9:30 Uhr beginnen. Ich hörte noch die letzte Frage an den Referenten vor mir und schon ging es los. Während ich schon mit lockerem Einleitungs-Small-Talk begann, bemühte sich das Team erfolgreich, meine Präsentation zum Laufen zu bringen.

Das Thema, das ich mir vorgenommen hatte, war ambitioniert. Denn ich wollte über bestimmte Hirnnerven in Bezug auf den Gesang referierein und vor allem in ihrer Verbindung zum Schutzsystem und was das mit senso-motorischem Wahrnehmungstraining und Lampenfieber zu tun hat. 30 Minuten – wie gesagt, ambitioniert.

Ich stieg mit einem Satz ein, der immer wieder für Lacher und gleichzeitig für wissendes Nicken sorgt:

Sicherheit und Schutz sind wichtiger als das hohe C.

Ja, ich weiß, das fühlt sich auf der Bühne oftmals komplett anders an, aber das ist „leider“ eine neurowissenschaftliche Tatsache, der wir Sänger:innen alle ins Auge sehen müssen.

Was in unserem Körper braucht diesen massiven Schutz?

Was muss da eigentlich so dringend geschützt werden und wie passiert das?

Geschützt werden müssen vor allem Herz und Lunge.

Ohne ihre korrekte Tätigkeit haben wir nicht mehr lange Zeit, bevor es mit diesem faszinierenden Körper und dieser einmaligen Stimme ganz schnell vorbei ist.

Und eine sehr effektive Möglichkeit des Schutzes geschieht über Schließung. Wenn nichts hinein kommen kann, was unsere Lunge beispielsweise verletzen kann, dann sind wir geschützt.

Dumm nur, wenn das genau die Bereiche sind, die wir als Sänger:innen gern maximal gut öffnen wollen und das auch noch in Situationen, die von uns oder eher unserem autonomen Nervensystem manchmal als gefährlich eingeschätzt werden.

Das war der Einstieg in meinen Vortrag. Das Fazit nach 30 Minuten war ein Überblick, wie die Hirnnerven mit unserer Gesangstechnik und dem Schutz verbunden sind.

Über einen dieser Hirnnerven gibt es einen sehr ausführlichen Blogartikel von mir: Der Nervus Trigeminus und die Kieferöffnung.

Sensomotorisches Wahrnehmungstraining hilft bei Lampenfieber

Das habe ich dann an das senso-motorische Wahrnehmungstraining gekoppelt, mit dem ich in der Rabine-Methode arbeite. Denn dieses Training kombiniert die sensorischen Aspekte unseres Körpers, wie die Arbeit mit den Sinnen, der inneren und äußeren Körperwahrnehmung mit den motorischen Anteilen des Gesangs, wo wir über große und kleine Körperübungen unser Instrument wahrnehmen, beeinflussen und trainieren können.

Und wenn wir uns mit unserem Instrument, mit der Stimme sicher fühlen, weil wir wissen, wie wir effektiv Einfluss nehmen könnten, dann kann sich ein Teil in uns, der auch mit Lampenfieber zu tun hat, entspannen. Und gerade die Erkenntnis, dass der Schutz und damit ein wenig Schließung wichtig sein und Zeit brauchen kann, um die Öffnung zu erlauben, war sowohl für Sänger:innen, als auch Pädagog:innen, aber auch für Therapeut:innen sehr wichtig, wie ich in Gesprächen hinterher noch erfahren durfte.

Möchtest du mehr darüber wissen, dann lies gern meine Artikel auf der Vox Humana über die Neurowissenschaftlichen Erkenntnisse für den Gesangsunterricht, Teil 1. Der zweite Teil erscheint in der nächsten Ausgabe.

Bis Samstag den 26. April ist auch die Anmeldung für meinen 12-Wochenkurs „Die Nervenstarke Stimme“ noch möglich.

Du findest Informationen, Zeiten und Preise, wenn du auf das Bild klickst:

Weitere Themen auf dem Hamburger Stimmsymposium 2025

Es gab an dem Tag noch weitere spannende Vorträge, obwohl ich dieses Jahr leider nicht alles hören konnte, was ich wollte. Manches möchte auch erstmal verdaut werden, bevor es zum nächsten spannenden Thema geht.

Teamworking mit Jale Papila und Markus Hess

In diesem Vortrag mit praktischen Beispielen zeigten uns Jale Papila als Sängerin und Markus Hess als Stimmchirurg sehr anschaulich ihre Zusammenarbeit. Was brauchen Sänger:innen, wenn sie ein ernsthaftes medizinisches Problem haben?

Natürlich brauchen sie kompetente Mediziner:innen, die erkennen, was mit ihren Stimmlippen los ist, aber die Einschätzung, was auf der Bühne an Klang gefordert ist, wie eine professionelle Stimme klingen sollte, nein in diesem Fall muss, können die Kolleg:innen, die selbst singen oftmals besser beurteilen. Und diese enge Zusammenarbeit in Videobeispielen und Gedanken erleben zu dürfen war ein großes Geschenk für mich. Denn wie oft stehen Sängerinnen vor mir, die Stimmprobleme haben. Natürlich kann ich hören, aber manches muss man eben auch sehen.

Dann ist es gut, jemanden zu haben, der die Filme und Bilder auch adäquat erklären kann, denn das ist nicht mein Fachgebiet. Und ich wünsche mir im Gegenzug Ärzte, die verstehen, wie eine Stimme für die Bühne klingen muss, die nicht nur glauben, alles ist gut, wenn die Stimme kommunizieren kann.
Genau das passiert in Hamburg. Nicht nur auf diesem Hamburger Stimmsymposium, sondern eben in der Zusammenarbeit am Medical Voice Center. Danke euch beiden für diesen wichtigen Einblick.

Und übrigens die Konsequenz aus dieser Fallbeschreibung war die Empfehlung für die Sängerin einen Fachwechsel vorzunehmen. Keine leichte Entscheidung, aber in diesem Fall anscheinend absolut richtig wie die Fortsetzung der Untersuchungen zeigte. Und das ist ein Thema, was wir Sänger:innen gut kennen, mit dem aber viele Mediziner leider überfordert sind.

Danke Jale Papila an dieser Stelle für deine Arbeit und die tollen Themen und die interessanten Referent:innen für das Hamburger Stimmsymposium.

Die Stimme des Counter

Die Stimme des Counter mit Martin Wölfel fand ich spannend. Als Mezzosopranistin habe ich in meiner aktiven Zeit die Counter häufig einfach nur als Konkurrenz wahrgenommen, ich gebe es offen zu.

Aber hier gab es so viel Neues und Spannendes für mich zu erfahren, dass ich ganz Ohr war. Schon allein die Repertoire Auswahl fand ich interessant. Als Frauenstimmen sind wir gewohnt von Frühbarock bis Moderne alle Epochen singen zu können. Natürlich nicht jede Stimme, jedes Stimmfach, aber so ganz allgemein schon. Aber für die Stimme des Counter geht es hauptsächlich um die Epochen Renaissance, Barock und Moderne. Was für ein Spagat.

Und dann war ich die ganze Zeit am Denken, wie unterschiedlich die Stimmen ausgebildet werden können. Kommt man mehr von oben aus der Kopfstimme? Oder mehr von unten aus der Bruststimme? Was sind wirklich die physiologischen Voraussetzungen und was ist Ästhetik im Klang? Ich glaube, ich möchte mich in nächster Zeit noch viel mehr mit Countern unterhalten, besonders den Pädagogen unter ihnen und mir noch mehr anhören. Denn ich habe da so meine eigenen Ideen. 😉

Ich gestehe, die Möglichkeit eines Mannes, mit sich selbst in der Counter- und Männerstimme quasi Duett singen zu können, hat mich total inspiriert. Wie könnte man so etwas Ähnliches als Frauenstimme umsetzen? Wir haben ja nicht die gleiche range, aber so etwas müsste doch auch gehen. Danke, Martin für die Inspirationen.

Das antogonistische Muskelsystem vom CT und Voc

Aber auch der Vortrag über das antagonistische Muskelzusammenspiel von CT (M. cricothyroideus) und Voc (M. vocalis) von Mathias Knuth war interessant für mich.

Wie du vielleicht weißt, bin ich auch ein Anatomie-Nerd, wenn es um die Stimme geht und die Zusammenarbeit dieser beiden Muskeln ist immer wieder spannend, wirft aber auch weitergehende Fragen auf, wenn man noch viel tiefer eintauchen möchte.

Die Erklärungen waren so wunderbar praktisch, denn Mathias hatte auch einige kleine Experimente mitgebracht, die mich an den Physikunterricht in der Schule erinnerten. So konnte man sich das Ganze sehr plastisch vorstellen.

Und wie so oft: am Ende gab es noch reichlich Diskussionen, das passiert immer, wenn verschiedene Stimm-Nerds zusammensitzen. Danke, Mathias für die Inspiration und die wunderbaren praktischen Beispiele.

Samstag Abend Party in Halle 424

Wie auf jedem Hamburger Stimmsymposium gab es auch dies Mal wieder das legendäre Get together in der Halle 424, einer Eventlocation, wo normalerweise viel Jazz zu hören ist.

Bei wunderbarem Wetter konnten wir diesmal auch nach draußen.

Hamburg verwöhnte uns mit einem spektakulären Mond über der Elbe und einer lauen Frühlingsnacht.

Es gab Suppe, es gab natürlich leckere Getränke, gute Gespräche und natürlich wurde auch wieder zu Musik abgedanct. I love this mix and the location.

Mein Workshop Schutzmechanismen, Nervensystem und Klang

Mein praktischer Workshop stand dann für Sonntag auf dem Hamburger Stimmsymposium auf dem Plan.

Diese praktische Fortsetzung meines Vortrages war mit Übungen zu Kieferöffnung, Atemwegsempfindungen, Vokaltraktgestalt und Stimmlippenschwingung gefüllt. Die Teilnehmer:innen konnten das Schutzsystem am eigenen Körper erfahren – und viele haben ihre Stimme in einer neuen Tiefe erlebt. Die Rückmeldungen waren berührend, einige Kolleg:innen kannten meine Arbeit bisher nur theoretisch.

Und genau das hat mich bestärkt: Das Wichtige an dieser Arbeit ist, es selbst zu erleben. Und die Möglichkeit möchte ich gern vielen Sänger:innen und Pädagog:innen geben. Deshalb gibt es immer wieder die Möglichkeit zu Kursen mit mir, online und offline.

Diese Ausführungen über das Schutzsystem von Kieferöffnung bis Stimmlippenschwingung hat auch noch nach dem Wochenende zu wunderbaren Reaktionen von Kolleg:innen geführt, die einiges mit ihren Sänger:innen mit Erfolg ausprobiert haben. Viele von ihnen kannten meine Arbeit bisher nur theoretisch. Für mich war es unglaublich schön, wie sich der Klang mehr und mehr entfaltete, auch wenn es in diesem Erleben nur um das Singen auf einem Ton ging.

Möchtest du mehr über den Schutzmechanismus der Zunge erfahren und praktisch etwas ausprobieren, dann lade dir gern mein E-Book „Sing it easy“ für 0,- € herunter. Dort findest du Übungen und Erklärungen für Zungenflexibilität und Nervensystem.

Die Rückmeldungen waren total positiv, sowohl mir gegenüber als aber auch bei Jale Papila, die diese Symposion großartig zusammengestellt hatte. Viele hatten sich und ihre Stimme noch nie auf diese Weise erlebt. Genau für solche Momente liebe ich meine Arbeit. Wir sind alle vom Fach und dennoch gibt es immer wieder Stellschrauben, die es uns viel einfacher machen können.

Stephanie Borm-Krüger

Besonders beeindruckte mich die letzte Masterclass mit Stephanie Borm-Krüger. Sie unterrichtet nach der IVA-Methode, eine Methode, die sich aus dem Speech level singing ableitet, wenn ich das richtig verstanden habe. Es ist ein System für die Stimme, was auf den ersten Blick kaum weiter von der Art, wie ich unterrichte entfernt sein kann. 😅

Und gleichzeitig war es so schön, ihre ruhige und positive Art zu erleben, wie sie mit den Sängerinnen umging, wie fein sie die Unterschiede in der Stimme hörte und wie zielgerichtet sie Änderungen hervorrief. Ich war total beeindruckt von der Effektivität und von der Emotionalität, die sich bei jeder der drei Probandinnen am Ende der Arbeit zeigte.

Und es war spannend, mich selbst dabei zu beobachten, wie ich beobachtete. Ihre Art der Ruhe ließ mir als Zuhörende die Möglichkeit, vorurteilsfrei zuhören zu können. Das ist immer ein sehr gutes Zeichen für mich.

Und mal wieder vom Standpunkt des Nervensystems aus betrachtet merkte ich, wie wichtig die Kommunikation ist. Mit uns selbst und mit unseren Sänger:innen. Selbst reguliert zu sein macht einen großen Unterschied für die Stimme, wie wir sie einsetzen. Das kann beim Sprechen mit unseren Sänger:innen sein und das ist auch beim Singen der Fall. Und die Kommunikation mit einem Publikum ist von diesem Umgang mit unserer Stimme auch direkt betroffen. Sei es in einer Masterclass oder eben auf der Bühne mit der Audience, die gekommen ist, um uns singen zu hören.

Neurolaryngologie visualisiert

Das war ein Thema, was mich sehr interessierte. Denn ich sehe ja meistens nur schöne Abbildungen von Nerven in Anatomieatlanten. Das ist übersichtlich und sauber, teils künstlerisch sehr ansprechend, aber was passiert denn im lebenden Körper? Kann ich da einen Nerv überhaupt vom umliegenden Gewebe unterscheiden? Wie groß sind die denn? Und wie sind sie mit dem ganzen Gewebe verflochten?

Auf all diese Fragen gaben die ganzen unterschiedlichen Videos Auskünfte und für mich war das teilweise so spannend wie ein Krimi. Da konnte ich endlich live den Recurrens und andere „berühmte“ Nerven sehen.

Dank an Prof. Markus Hess für diesen Einblick.

Ja, ja, ich weiß, ich bin ein bisschen merkwürdig. Wo andere über die brilliante Stimme von Sängerin XY oder das Hohe C von Pavarotti schwärmen, gerate ich in Extase, wenn es um Nerven und Muskeln geht. Aber keine Sorge, sobald ich ein Opernhaus betrete bin ich auch hin und weg von den Stimmen und der Musik und genieße einfach, ohne dass ich auch nur an einen einzigen Nerv denke.

Kleine Privatführung im Mevoc

Da mir am Ende vor meiner Rückreise nach Hannover noch Zeit blieb lud mich Markus Hess ein, das Medical Voice Center einmal von innen anzuschauen. Denn der Kongress findet immer in anderen Räumen des UKE (Uniklinikum Eppendorf) statt.

Was für wunderschöne Räumlichkeiten sie dort haben. Ästhetisch schön und sehr ansprechend und dabei mit der allerneusten Technologie ausgestattet.

Bibliothek mit interessanten Formen:

Oder auch der schön gestaltete Eingangsbereich:

Danke dem gesamten Team für dies spannende Wochenende mit all den Einblicken in eure Arbeit, mit den Gesprächen mit einigen der Referent:innen und Mitarbeiter:innen beim Italiener am Freitag Abend und auf der Party in der legendären Location der Halle 424.

Ich bin natürlich nächstes Jahr wieder dabei. So schnell werdet ihr mich nicht los.

1 Kommentar zu „Hamburger Stimmsymposium 2025“

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