Hohe Töne zu singen, ist nicht so einfach. Hohe Töne haben Magie. Warum sind es immer die 3 Tenöre und nicht die 3 Altistinnen? Ich gehe davon aus, weil sie die hohen Töne haben und man sie bei diesem Drahtseilakt mit voller Power beobachten und hören kann und den thrill am eigenen Leib spürt.
Und vielleicht liebst auch du diese strahlenden, schwebenden hohen Töne. Manchmal klappen sie und manchmal geht rein gar nichts. Und dann spürst du den Druck.
Was, wenn sie nicht kommen?
Was, wenn die Stimme zittert?
Das Gedankenkarussel dreht sich: Technik, Spannung, Kontrolle – und doch bleibt die Unsicherheit.
Du glaubst, bei dir geht es nicht und fragst dich, ob man das lernen kann?
Und die ganz simple Antwort heißt: JA, hohe Töne singen lernen ist möglich.
Und zwar für alle, für Männer wie für Frauen und in sämtlichen Stilistiken, die man singen möchte. Die Frage ist vor allem: Wie mache ich es und was klingt wie?
Ein Beispiel aus meinem Unterricht
Eine Sängerin ist bei mir seit einiger Zeit. Sie hat studiert, sie hat schon viel gesungen, aber die hohen Töne gehen seit einiger Zeit nicht mehr wirklich gut. Der Übergang ist schwer, das Segment um h‘, c“ ist mit zu viel Kraft gesungen.
Und genau dies Segment ist eine interessante Stelle in der weiblichen Stimme, denn hier haben wir einen Segmentwechsel und wenn die Erlaubnis fehlt, in die Kopfstimme zu gehen, wird es eng und braucht zu viel Kraft.
Zu Beginn haben wir das Zusammenspiel von Lippenrundung, Zungenbeweglichkeit und Hebung des weichen Gaumens untersucht. Das hat einigen Erfolg gebracht.
Dann bin ich dazu übergegangen von der Basis zu beginnen. Was ist mit der Atmung? Wir haben typische Übungen aus der Rabine-Methode genutzt: die Kniehebung, um eine Tiefatmung zu unterstützen, die keine Bauchatmung ist und die Wirbelsäule in eine Aufrichtung bringt. Dazu eine Armhebung, um die Dehnung der Rippen und vor allem die Beweglichkeit der Schulterblätter zu aktivieren. So durfte sich Stück für Stück die gesamte Körperhaltung verändern, der Atem wurde tiefer und ruhiger und der Segmentwechsel war kaum noch ein Thema.
Zwischendurch sprachen wir immer wieder auch über Konzepte von tiefer Einatmung, Bauchatmung, Hebung im Brustkorb, Aufrichtung, Kopfhaltung, denn es war deutlich, dass vieles über Jahre gelernt war, was physiologisch keinen Sinn (mehr) machte. Und die Konzeptbildung beim Singen lernen ist ungeheuer wichtig. Alte Muster aufdecken und untersuchen, was taugt und was eben auch nicht. Wir singen nicht nur mit der Stimme, sondern auch mit Köpfchen.
Und dann kamen alte Narrative aus der Vergangenheit hinzu. Eine meiner Erzählungen ist, dass ich mir immer anhören musste: „Ich kann dich gut hören, du brauchst nicht so zu schreien.“ Ich war wohl ziemlich laut als Jugendliche. Geblieben ist davon, dass ich IMMER zu laut bin. Und nun sing mal hohe Töne, wenn du nicht laut sein darfst.
So hat jede(r) von uns die eigenen Geschichten, die uns manchmal behindern.
Doch zurück zu den neuen Körperübungen, denn nun gilt es, diese Veränderung der Haltung und der Gewohnheit zu üben, so dass diese Sängerin zu einer anderen sängerischen Aufrichtung und zu einer neuen sängerischen Atmung finden kann.
Doch gehen wir das Thema mit den hohen Tönen der Reihenfolge nach an. Ich möchte gern verschiedene Bereiche beleuchten. Denn wie so vieles beim Singen ist auch das vielschichtig.
Hohe Töne und die Anatomie
Ich beginne gern mit der Anatomie. Denn sie liefert uns die Voraussetzungen, die wir haben, wenn es um die Höhe geht.
Innerhalb des Kehlkopfes befinden sich unter vielem anderen die Stimmlippen. Sie bestehen aus einer Schleimhautschicht, aus dem Stimmband und dem Stimmmuskel, dem M. vocalis.

Ohne jetzt hier einen medizinischen Vortrag halten zu wollen, kann man sagen, wenn man hohe Töne singen möchte, werden die Stimmlippen gespannt, sie verlängern sich ein wenig und werden dünner. Und wenn man tiefe Töne singen möchte, werden sie wieder etwas kürzer und dicker.
Das ist schon alles. Und dieser Mechanismus klappt eigentlich immer, denn wir können ja auch hoch schreien und kreischen, also alles in Ordnung, könnte man denken.
Aber wenn es dann ans Singen geht, sieht es etwas anders aus. Da möchten wir nicht unbedingt den Kreisch- und Schreisound haben. (Jedenfalls nicht unabsichtlich 😉)
Und wir möchten die hohen Töne manchmal länger aushalten. Es soll auch nicht irgendein Ton sein, sondern genau der, den wir haben wollen.
Und da braucht es also mehr Vorbedingungen als beim Schreien. Die Stimmlippen müssen genau gespannt werden. Damit sie diesen Zustand so lange beibehalten können, wie wir möchten, braucht es Unterstützung aus dem Körper, der Atmung und Kehlkopfsenkung (je nach Stilistik viel oder weniger Senkung).
Und es braucht einen langen Resonanzraum, denn dort vor allem wird der Ton verstärkt und wird damit laut genug, damit man ihn hört. Das gilt übrigens bei allen Tonhöhen, aber besonders bei hohen Tönen.
Wenn du dich allgemein für mehr Leichtigkeit beim Singen interessierst, dann könnte auch dieser Blogartikel etwas für dich sein.
Oder du steigst sofort praktisch ein, denn aktuell gibt es die bewährte Masterclass HOHE TÖNE sicher singen live online mit mir:

Hohe Töne sind nicht hoch
Dieser Satz scheint erst einmal provozierend zu sein. Denn natürlich sind es hohe Frequenzen. Aber von der Lage sind sie nicht hoch. Wir sehen in den Noten, viele, viele Hilfslinien vielleicht für ein hohes F der Königin der Nacht. Aber wenn wir uns die Stimme anschauen, dann geht da, wenn es gut läuft, nichts nach oben. Denn der Kehlkopf sollte gesenkt bleiben, dann geht es deutlich leichter. Und die Bewegung, die hohe Töne erzeugt, ist eine kleine horizontale Dehnung, die die Stimmlippen erlauben müssen.
Hohe Töne und die Kopfstimme
Auch ein wichtiges Thema bei hohen Tönen ist die Kopfstimme. In der Rabine-Methode nennen wir sie „spannungsdominantes Register“ und das trifft es sehr gut. Um in die Höhe zu kommen, ist es wichtig, die Kopfstimme zu benutzen. Viele Frauen, die aus der Popularmusik kommen, finden es am Anfang ganz ungewohnt. Aber wenn wir den gesamten Stimmumfang nutzen möchten, ist das notwendig. Wenn wir Übergänge nicht erlauben, wird es schwierig. Dann können wir nur mit Druck arbeiten. Und wie die verschiedenen Druckzustände sich auf die Stimme auswirken, habe ich in einem anderen Blogartikel näher beleuchtet.
Das Gleiche gilt übrigens auch für Männer, die manchmal noch mehr Schwierigkeiten mit ihrer Kopfstimme haben, weil sie glauben, das sei falsch oder klingt unmännlich. Es ist weder das eine noch das andere, sondern gehört zum natürlichen Stimmumfang dazu und man kann es super nutzen. Außerdem hält es auch bei Männern die Stimme flexibel.
Hohe Töne laut oder leise singen
Das laute Singen der hohen Töne bekommen die meisten Sänger:innen noch ganz gut hin. Leider wird dabei dann oft zu viel Druck verwendet und dann schiebt der Luftdruck den Kehlkopf nach oben.
Und wenn man denkt, dann singe ich eben leise, wird meistens der Vokaltrakt verengt. Dann wird es leiser, aber bedauerlicherweise haben wir damit auch nichts gewonnen und der Kehlkopf geht ebenfalls nach oben.
Allgemein kann man sagen, die hohen Töne gut, kraftvoll und leicht zu singen ist ziemlich advanced. Also gib nicht auf, sondern gib dir Zeit und gönne dir professionelle Unterstützung. 🤗
Du kannst dich gern zu meiner Masterclass anmelden und gucken, wie dir die Übungen dort in deiner hohen Lage weiterhelfen können:

Hohe Töne und Ästhetik
Und dann kommt noch die Ästhetik dazu. Die hohen Töne im klassischen Gesang sollen einen anderen Sound haben als innerhalb der Popularmusik. In der Popularmusik suchen wir öfter einen Klang, der mehr Bruststimmanteile enthält, wir möchten mehr Masse in der Stimme haben. Das geht nicht über den gesamten Umfang und ist auch eine Technik, die gut erlernt werden sollte, weil sie sonst extrem stimmschädlich werden kann.
Im klassischen Gesang möchten wir meist noch höher hinaus und die Töne sehr gern auch noch lange aushalten können. Auch das ist advanced, braucht gute Anleitung und vor allem Übung. Und wir möchten natürlich, dass diese Töne mit Vibrato gesungen werden, denn das gehört im klassischen Gesang als Qualitätsmerkmal fast immer dazu. Dazu braucht es eine Balance zwischen Raum und Luftdruck. Auch das kann man üben und es braucht seine Zeit.
Hohe Töne und das Nervensystem
Die hohen Töne sind das, wovor wir Sänger:innen oft die meiste Angst haben. Verständlich, denn oft sind sie genau das, worauf das Publikum wartet. Sei es das Hohe C beim Tenor oder auch beim Sopran oder der sackhohe Belt in „Defying gravity“ aus dem Musical „Wicked“. Die, die sich auskennen, warten nur darauf und beurteilen die Sänger:innen oftmals nach dem Erreichen dieser Note. Natürlich macht uns das Druck und Stress.
Und gleichzeitig ist es auch nicht leicht, diese Spannung innerhalb der Stimmlippen zu halten und auszuhalten. Der Trigger geht immer noch in Richtung Schreien, Gefahr. Und dabei ruhig zu bleiben und das sympathische Nervensystem in Richtung positiver Aufregung und angenehmem Thrill und Herausforderung zu lenken, braucht Sicherheit, was unsere hohen Töne betrifft. Und Sicherheit bedeutet gute, sichere Technik, viel Übung, damit wir wissen wie wir es machen.
Mehr über das Nervensystem beim Singen findest du HIER.
Du bist Profi und hast natürlich hohe Töne im Repertoire?
Das gehört dazu, wenn man als Opernprofi auf die Bühne möchte. Und doch erlebe ich immer wieder Sänger:innen, die große Schwierigkeiten mit den hohen Tönen beim Singen haben. Sie sind ihnen nicht leicht genug, sie fühlen sich nicht sicher an und ab manchen Tonhöhen geht es einfach nicht mehr, auch wenn das noch im Bereich des Möglichen liegen sollte.
Da stellen sich die Fragen dann ein wenig anders.
Die Voraussetzungen für hohe Töne
Wenn wir es wie ein Rezeptbuch sehen, würde ich sagen. Man nehme:
- Einen guten Körpertonus mit entsprechender Aufrichtung.
- Dazu eine große Einatmung durch den geöffneten Mund.
- Die Erlaubnis, dass der Kehlkopf sich mehr oder weniger flexibel senken darf.
- Übung und entsprechende Anleitung (meist mithilfe eines Lehrers oder einer Lehrerin)
- Geduld, Geduld und nochmals Geduld
- und dann Spaß am Wagnis und der hohen Intensität. Ein bisschen Drama-Queen ist an der Stelle durchaus hilfreich. 😅
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E-Book „Hoch hinaus“
Hier findest du 10 Übungen, die auf der einen Seite deinen Körper und deine Atmung fit für die Höhe machen. Und dann noch bestimmte Vokalkombinationen, die dir auch das Erreichen der Höhe sehr erleichtert.

Last but not least hast du ein paar Vorschläge, wie du mit deinem Nervensystem umgehen kannst, damit du auch auf der Bühne die Nerven behältst und nicht bei jedem Blick in die Noten, wo du eine Tonhöhe über dem Notensystem siehst, in Ohnmacht fällst.
(Du merkst schon, in mir steckt auch immer wieder eine kleine oder große Drama-Queen. Das ist der Tribut für meine innere Sopranistin, wenn ich sie zu Wort kommen lasse 😅)
No more excuses 😉
Es gibt also keine Entschuldigungen mehr, die hohen Töne nicht endlich genauer unter die Lupe zu nehmen und den Spaß und die Sicherheit dabei zu entdecken.
E-Book oder Masterclass – das ist keine Frage – am besten beides 😅
1 Kommentar zu „Hohe Töne sicher singen“
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