Konsonanten in einem Kreis und denn Titel: Konsonanten Arbeit in der Rabine-Methode

Konsonanten in der Rabine-Methode

Wer kennt sie nicht, die Übung aus dem Chor, wo mit möglichst viel Energie P,T, K oder auch F. S. Sch in den Raum gepustet wird.

An meiner Formulierung siehst du wahrscheinlich schon, dass ich kein großer Fan dieser Übung bin. 😉

Doch jetzt kommt die Preisfrage: Wenn nicht so, wie denn dann? Denn verstehen wollen wir den Gesang doch alle. Schöne, wohlklingende Vokale transportieren zwar zu einem Großteil unsere Emotion, aber sie reichen für die Verständlichkeit leider nicht aus.

Konsonanten beim Singen nicht spucken, sondern implodieren lassen

Eine gängige Idee ist, dass die Konsonanten desto besser zu verstehen sind, je mehr Energie man hinein gibt. Vor allem das Explodieren lassen, das nach außen Spucken ist eine bewährte Art, die Konsonanten im Singen zu sprechen.

Dabei passieren verschiedene Dinge, die nicht hilfreich sind. Wir nutzen eine Menge Luftdruck, um die Konsonanten nach außen zu pusten. Unsere Ausatemukuskulatur ist dominant, was aus neurologischer Sicht immer zu einer Art Überdruck im System führt. Und das ist fürs Singen nicht zielführend. Gerade wenn beim oben zitierten P, T, K dann auch noch unser Bauch hüpfen soll, geben wir viel zu viel Luft gegen unsere Stimmlippen, so dass sie gar nicht in der Lage sind, effizient zu arbeiten.

Dann wird dabei immer noch gesagt, dass es das Zwerchfell stärkt. Ja, das bewegt sich auch, aber vor allem ist das eher ein Bauchmuskeltraining, was wir besser anders absolvieren sollten.

Viel günstiger ist es, die Konsonanten zu nutzen, um sie quasi implodieren zu lassen. Denn damit haben wir die große Chance, unseren Vokaltrakt durch die Energie, die frei wird, zu öffnen, wenn wir von der Schließung eines Konsonanten zur plötzlichen Öffnung gelangen. Ein Beispiel, wie ich damit in der Rabine-Methode arbeite, gebe ich dir weiter unten.

Umgang mit den klingenden Konsonanten

Neben den explosiven Konsonanten haben wir dann noch die klingenden Konsonanten wie L, N , M. Sollten wir sie immer auf der Tonhöhe singen? Es gibt Sänger:innen, die sagen, wir sollten Konsonanten auf der Tonhöhe aus dem Stück singen.

Nein, auch da bin ich komplett anderer Meinung. Da sich der Vokaltrakt nicht vollständig öffnen kann mit einem klingenden Konsonanten, sind nicht alle Tonhöhen für die klingenden Konsonanten geeignet. Ein M oder N in die Höhe zu nehmen fühlt sich zwar für viele Sänger:innen sehr leicht an und lässt sich bis in die höchsten Höhen führen, aber die Frage dabei ist, was wir damit als Sänger:innen gewinnen. Meist ist es eine bestimmte Resonanzempfindung, an die wir dann den Vokal anbinden, aber der Vokaltrakt öffnet sich dabei nicht so gut, als wenn ich ihn gleich von Beginn der Einatmung geöffnet gestaltet habe.

Und nichts desto trotz können wir die klingenden Konsonanten oft so gestalten, dass sie uns viel Raum geben. Dabei ist es aber auch hier sehr wichtig, dass uns klar ist, dass wir sie, ganz ähnlich wie bei den Vokalen nicht an die Sprachgewohnheit anlehnen.

Konsonanten als pädagogisches Mittel

Und dann können wir Konsonanten noch als pädagogisches Mittel nutzen.

Lasse ich z.B. ein L singen, kann die Zunge einen bestimmten Platz einnehmen. Die Zunge ist hinter dem oberen Zahndamm geparkt. Wenn sich jetzt der Mund langsam öffnet und die Zunge dort verbleibt, können wir spüren, wie sich der Vokaltrakt öffnet. Bei dieser Position kann uns die Zunge nicht in den Hals rutschen und dort verschließen – in den meisten Fällen jedenfalls.

Die Zunge ist ungeheuer komplex in ihrer Beweglichkeit.

Und dann beginnt der Spaß erst richtig, wenn wir mit dieser geparkten Zunge die einzelnen Vokale artikulieren. Ich kann dir versprechen, deine Zunge hat noch nie so schuften müssen, aber das Gefühl im Hals ist es wert.

Was es mit Über- und Unterdruck beim Singen auf sich hat kannst du in meinem Blogartikel: Die Doppelventilfunktion – leicht und gesund singen.

Auch in der herkömmlichen Gesangspädagogik werden Konsonanten als pädagogisches Mittel genutzt. Meist um eine sekundäre Resonanz im Gesicht zu spüren und den Vokal dann dorthin folgen zu lassen. Dabei wird häufig ein so genannter Stimmsitz gesucht. Das macht aus Sicht der Rabine-Methode eher keinen Sinn. Wir suchen die Primärschwingung in den Stimmlippen und lassen sich den Resonanzraum, den Vokaltrakt von dort ausgehend gestalten. Das ist quasi der umgekehrte Weg, den wir gehen.

Konsonanten – zwischen Über- und Unterdruck

Ein stimmloses S als weiteres Beispiel kann uns zeigen, wie tonisiert der vordere Teil der Zunge beim Singen sein kann und was für unglaubliche Vorteile das für den Rest der Zunge in der Artikulation hat. Dabei haben wir da auch noch das faszinierend Spiel von Unter- und Überdruck, wenn uns das S gut gelingt. Von den Stimmlippen aufwärts sind wir eher in einem leichten Überdruck. Im Brustkorb allerdings sind wir eher in einem Unterdrucksystem, was wir daran merken, dass sich die Rippen (hoffentlich) nach außen bewegen.

Über die Zunge beim Singen habe ich auch schon einiges geschrieben. Z.B. der Artikel: Wann macht Arbeit mit der Zunge im Gesang Sinn?

Beispiel der Konsonantarbeit in der Rabine-Methode

Da wir normalerweise immer von Öffnung zu Schließung gehen, beginnen wir auch die Arbeit mit den Vokalen. Wir suchen uns dazu den Vokal, der der Bewegung des Konsonanten am ähnliches ist, damit der Weg nicht so weit ist und wir die differenzierten Veränderungen gut wahrnehmen können.

Als Beispiel möchte ich die Vokal-Konsonantkette A-O-U-M-B oder A-O-U-M-P nehmen. Wir kommen von einem im besten Fall geöffneten Kiefer bei A in eine Rundungsbewegung zu O und weiter zu U. Wir nehmen wahr, wie die Gestalt des Vokaltraktes sich für O und U durch Rundung verlängert. Und nun schließen wir die Lippen, ohne diese Empfindung zu stören. Und schon sind wir bei einem M. Das unterscheidet sich aber in Empfindung und Klang von der Sprachgewohnheit, die die allermeisten von uns haben.

Und nun können wir zu einem anderen Konsonanten weitergehen, z.B. B. Nun verschließen wir vollständig, nehmen für einen Moment wahr, wie sich ein leichter Druck bei geöffneten Stimmlippen aufbaut. (Wichtig dabei: nicht die Wangen aufpusten lassen, sondern den Druck im Vokaltrakt spüren)

Wenn wir nun öffnen, werden wir die Art von Implosion bekommen, die ich oben schon angesprochen habe und der Vokaltrakt öffnet sich nochmal mehr als vor dem B.

Mit dem Konsonanten P nutzen wir die gleiche Kette. Der Unterschied zwischen B und P besteht nur darin, dass wir bei einem B noch einen Schwa haben, der uns beim P fehlt. Der Schwa ist ein so genannter neutraler Vokal, der einigen unserer Konsonanten ihren Klang gibt. Wir haben das auch bei D und G im Gesatz zu T und K. Jetzt kannst du auch sehen, woher die Konsonant-Übung mit P, T, K kommt. Das sind die explosiven Konsonanten ohne Schwa.

Vokale hinter geschlossenen Lippen

Mit dem klingenden Konsonanten M haben wir noch weitere Möglichkeiten. Wir können Vokale hinter geschlossenen Lippen singen. Auch das ist ein pädagogisches Mittel, wenn z.B. Kieferöffnung gerade große Probleme macht und sich der Kiefer nicht gut öffnen lässt. Das kann aus ganz unterschiedlichen Gründen geschehen. Denn auch Kieferöffnung ist sehr diffizil, wie eigentlich fast alles, wenn wir es auf die Stimmarbeit hin genauer anschauen.

Über den Kiefer kannst du weiter lesen, wenn du auf meinen Blogartikel Der Nervus Trigeminus und die Kieferöffnung klickst.

Aber auch für die Zungenarbeit ist diese Übung sinnvoll, weil sie sich ganz anders bewegen kann bei geschlossenem Mund. Wenn wir beispielsweise die Vokalkombination U-Ü-U-Ü-U singen, nehmen wir unsere eigenen Schwingungen und die Bewegung der Zunge nochmal ganz anders wahr.

Wann sollte ein Konsonanten im Stück gesungen werden?

Und nun ist die Frage, wie wir Konsonanten artikulieren, wenn wir in einem Stück sind. Das kommt natürlich darauf an, was wir mit dem Konsonanten bezwecken. Geht es um eine klare Aussprache, dass jede:r den Text versteht? Oder wollen wir ein Wort damit besonders betonen? Möchten wir eine Phrase damit gestalten?

Wenn wir uns im klassischen Gesang befinden, wird oft ein Legato beim Singen von Phrasen verlangt. Dabei stört dann jeder Konsonant, der zu lang artikuliert wird, weil er unser Vibrato unterbricht, indem er den Vokalklang unterbricht. Deshalb werden wir in der Regel in diesem Genre die Vokale so lang wie möglich singen, den Konsonanten sehr schnell und präzise artikulieren. Oft ziehen wir auch den Schlusskonsonanten des einen Wortes zum Anfangskonsonanten des nächsten Wortes. Dabei achten wir natürlich darauf, dass es nicht zu merkwürdigen Aussprachen in der Sprache kommt.

Aber so wie schon bei Vokalen, sind auch die Konsonanten, wenn wir sie in eine Gesangsartikulationsbasis bringen, gewissen Anpassungen ausgesetzt, damit sie uns nicht zu sehr in den Mundraum rutschen.

In den populären Gesangsstilen wird damit häufig sehr anders umgegangen, denn da haben wir ein Mikrophon zur Verfügung, was die Verständlichkeit und die Lautstärke ganz anders überträgt als wenn die Stimme rein durch die Akustik des Vokaltraktes über ein Orchester tragen will.

In welchem Stil auch immer wir uns bewegen, wir sollten auch die Konsonantgestaltung ganz bewusst in unsere Gesangstechnik und unseren Ausdruck einbeziehen und nutzen.

So werden Konsonanten zu Freund:innen

Das alles muss natürlich trainiert werden und gelingt nicht zwingend beim ersten Mal. Auch ist die Konsonantarbeit nichts für Anfänger:innen. Denn da steht erst einmal die Öffnung der Vokale im Vordergrund. Wenn wir allerdings die Konsonanten als pädagogisches Mittel verwenden, kann es auch schon deutlich früher zu einem Konsonanten kommen.

Wenn wir die genauer Position der Zunge erforschen – denn sie ist meist, die den Konsonten bildet – können wir schon ein ganzes Stück vorwärts kommen, wenn wir auch gleichzeitig schauen, wie geöffnet der Kiefer dabei sein kann oder überhaupt nicht sein kann.

Wichtig ist auch, sie nicht so weit vorne im Mundraum zu bilden, weil sich der Vokaltrakt dabei leicht schließt und wir hinterher wieder suchen müssen, wo der Raum war.

Wenn wir sie so gestalten, dass sie uns im Gegenteil helfen, den Vokaltrakt durch die plötzliche Bewegung der Öffnung weiter zu öffnen und dann auch noch die Energie, die das freisetzt mitnehmen, transportieren sie viel Emotion durch ihre Kraft und Energie, die wir in einem solchen funktionalen Konsonanten haben.

Und dann finden wir in ihnen echten Helfer im Gesang. So können sie von Störenfrieden zu echten langjährigen Freund:innen werden.

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