Beitragsbild mit Körper, Atmung, Resonanzraum und Kehlkopf für Leichtigkeit im Singen

Wie kann ich mit Leichtigkeit singen?

“Ich möchte mit mehr Leichtigkeit singen”. Das ist ein Satz, der in Bezug auf Gesang immer wieder fällt, egal ob von Profis oder Laien. Ganz viele wollen leichter singen und mehr Klang in der Stimme haben.

Und immer, wenn ich das höre, kommen mir Fragen.
1. Was ist eigentlich mit Leichtigkeit allgemein gemeint?
2. Was genau meint die jeweilige Sängerin mit Leichtigkeit?
3. Wie kann denn Leichtigkeit erreicht werden?

Was also sind die Zutaten für die Leichtigkeit im Gesang?

Die Stimme ist ein Instrument, was im Grund genommen immer wieder von uns Sänger:innen gebaut werden muss. Sie steht nicht einfach wie ein Klavier im Raum und braucht nur noch kunstvoll bedient zu werden, sondern wir selbst sind für den Aufbau immer wieder zuständig.

(Podcast-Version: siehe unten)

Um dir gleich einen praktischen Einblick zu geben, was du dafür tun kannst, habe ich mein E-Book “Sing it easy” entwickelt.

Es handelt von der unerträglichen Leichtigkeit des Singens. (Kleiner Scherz, ich bin auch eine Leseratte und könnte wahrscheinlich meine gesamte Konversation auf Buchtitel und Opernzitaten aufbauen 😅)

Körperhaltung und Leichtigkeit

Da deine Stimme ein Instrument ist, was gebaut wird, liegt es eigentlich nahe, sich die Körperhaltung beim Singen etwas genauer anzuschauen. Ich bin immer wieder erstaunt, dass Sänger:innen, teilweise auch professionelle Sänger:innen, ihren Körper so wenig mit einbeziehen.

unbekleideter Körper, Oberkörper, Hand auf Brust

Manchmal ist das Einzige, was sie wissen, dass sie gerade stehen sollen.

Und das ist zu wenig. Es wäre als wüsste man, dass ein Flügel 88 Tasten hat.

Aufrichtung beim Singen bedeutet, dass die Wirbelsäule bis in die Halswirbelsäule hinein tonisiert ist .

In Bezug auf die Lendenwirbelsäule bedeutet das: Ein Hohlkreuz würde z.B. unsere Atmung einschränken und wir könnten nicht tief atmen.

Wenn wir uns die Brustwirbelsäule anschauen können wir sagen: Ein zusammen gesackter Brustkorb würde unsere Lungen daran hindern sich ausdehnen zu können. Also sollten wir dafür sorgen, dass sich unser Brustkorb wirklich ausdehnen kann. Das tut er fürs Singen am geeignetsten, wenn die seitliche und hintere Ausdehnung ermöglicht wird.

Eine überstreckte Halswirbelsäule zeigt sich in einem vorgeschobenen Kopf und der behindert die Öffnung unseres Resonanzraums.

Und wüsstest du jetzt aus der Beschreibung wie es geht und was du tun sollst?

Also ich nur theoretisch. Deshalb z.B. haben wir in der Rabine-Methode eine Menge toller Körperübungen, die uns helfen, das körperlich zu erleben, damit wir es irgendwann so verinnerlicht haben, dass es von allein geht, wenn wir nur daran denken, zu singen.

Wenn du also dafür sorgst, dass du aufgerichtet, energievoll und mit Tonus vor allem in Füßen, Beinen und Becken stehen kannst, wird das Singen leichter werden.

Atmung und Singen

Der nächste Schritt zum leichteren Singen ist die Atmung.

Lungen und Zwerchfell mit Luftröhre und Wirbelsäule

Und zwar die sängerische Atmung. Denn Atmung ist nicht gleich Atmung. Für das Yoga wird anders geatmet als für den Langstreckenlauf und anders als beim Singen. Das ist wichtig zu wissen. Denn Atmung richtet sich immer nach unserem Anwendungsziel. Und wir sprechen hier gerade über das Singen.

Wenn wir über Atmung in Bezug auf Singen sprechen ist die große Frage natürlich, WIE atme ich für den Gesang so, dass es meiner Stimme maximal nützt?

Atme ich viel oder wenig ein?

Darüber gibt es geteilte Meinungen. Es gibt die sogenannte Minimallufttechnik. Deren Vertreter:innen sagen, dass man mit einem Fingerhut voll Luft sehr lange singen kann. Ja, manche können das, aber sind die Druckverhältnisse, die dann in der Lunge herrschen, wirklich die besten für den Gesang? Ich finde nicht, wenn ich das höre.

Und was ist mit der Kehlkopfstellung?

Der Kehlkopf kann sich innerhalb der Einatmung erst von selber senken, wenn ich bei mindestens 60% des Lungenvolumens angekommen bin. Besser wäre noch etwas mehr. Warum der Kehlkopf sich senken sollte? Noch etwas Geduld, das folgt weiter unten.

In welche Körperregionen sollte ich einatmen?

Bauchatmung, Tiefatmung, Costo-abdominal-Atmung, “natürliche” Atmung, Minimalluft? Auf keinen Fall Hochatmung – da sind sich ausnahmsweise alle einig. Es sind alles Fragen und Statements, die ich öfter höre. Und allein über die sängerische Atmung könnte man einen ganz eigenen Artikel schreiben.

Wenn wir uns den Bau des Zwerchfells anschauen und seinen Bezug zu den Rippen, dann ist relativ klar, dass wir für eine sängerische Atmung so atmen sollten, dass sich die hinteren Teile des Zwerchfells bewegen und auch die Rippen eine seitliche Dehnung erlauben. Damit scheidet alles aus, was ich oben aufgezählt habe.

Eine tiefe Atmung ist wichtig für die Druckverhältnisse, die beim Singen herrschen. Ist zu wenig Luft in der Lunge, muss mehr Druck angewendet werden, um die Luft, die da ist aus der Lunge herauszubekommen. Eine sogenannte Einatemtendenz, die wir beim Singen beibehalten sollten, kann nicht gut aufgebaut werden. Das ist alles ist Teil der sogenannten Doppelventilfunktion im Körper, die wir für unser Singen super anwenden können.

Wenn wir diese Art der Atmung übrigens mithilfe von Körperübungen erreicht haben, sagen viele meiner Sänger:innen: was für eine wunderbar tiefe Atmung. Und es geht mit so viel Leichtigkeit.

Bingo, so sollte es sein! Der Sänger:innenberuf ist anstrengend genug, da sollte nicht auch noch das Atmen schwer sein.

Auch praktische Ideen für Hilfen bei einer Einatmung findest du in meinem E-Book.

Resonanzraum beim Singen

Für die Leichtigkeit ist auch der Resonanzraum wichtig. Denn das, was unsere Stimmlippen an Klang produzieren, würde kein Mensch hören und auch nicht sonderlich schön finden. Es klänge wie ein Rasierapparat, ist immer mal wieder von Menschen zu hören, die das erforscht haben.

Und wer zahlt schon 80 € oder mehr, um einen Rasierapparat bei der Arbeit zu hören? Also ich bestimmt nicht. 😅

Kreise, die sich nach außen weiten

Je mehr also die Gestaltung unseres Resonanzraums, beim Singen auch oft Vokaltrakt genannt, für den Klang und die Lautstärke arbeitet, desto weniger Arbeit haben wir beim Singen und desto leichter geht es.

Das bedeutet vor allem auch erst einmal, Widerstände zu minimieren. Zu den Widerständen kann eine zurück gezogene Zunge gehören, die uns den Raum versperrt, indem sie zu viel Platz hinten und unten in unserem Rachen einnimmt.

Kleiner Einwurf: du suchst Übungen, die der Zunge einen anderen Platz ermöglichen und dein Singen leichter und klangvoller machen? Dazu gibt es von mir das E-Book “Sing it easy!” mit Erklärungen und vor allem Übungen. Lade es dir einfach runter und probiere es selbst. Ausprobieren ist immer am effektivsten.

Schauen wir uns den Resonanzraum an. Was gehört dazu?

Es ist unser Rachenraum. 
Die vordere Wand unseres mittleren Vokaltrakts bildet unsere Zunge, deshalb ist sie so wichtig beim Singen. 
Der hintere Teil ist unsere Rachenrückwand. Ihre Form und ihr Tonus sind ebenfalls entscheidend. Die Rachenrückwand kann einen leicht gerundeten Raum darstellen oder flach sein.

Zum Singen ist Rundung sehr wichtig, denn nur so können sich beide Enden des Raumes längen. Wir möchten auf der einen Seite einen gehobenen weichen Gaumen, der eine wunderbare Kuppel bildet und wichtig ist, damit unsere hohen Frequenzen verstärkt werden können. Und auf der anderen Seite brauchen wir einen gesenkten Kehlkopf. Durch diese lange Form kann unser Grundton besser verstärkt und die tieferen Frequenzen können hörbar werden. So haben wir die optimale Raumgestaltung für einen Klang mit vielen Obertönen und einer großen Leichtigkeit, Flexibilität und Stabilität.

Kehlkopfstellung und Leichtigkeit

Weiter geht es also mit unserem Kehlkopf. Jetzt wird es schon ein wenig diffiziler. Sowohl was das Verständnis angeht, als auch die Umsetzung.

Hals, Kopf mit Kehlkopf für Leichtigkeit im Singen

Kehlkopfsenkung

Warum solle ein Kehlkopf überhaupt flexibel gesenkt sein beim Singen? Er ist es schließlich beim Sprechen auch nicht.

Das ist eine gute Frage und hat direkt etwas mit dem zu tun, was ich vorher schrieb. Wir möchten einen Resonanzraum bekommen, der unseren Klang möglichst gut verstärkt, sodass wir weniger Druck aufwenden müssen, um viel Klang zu produzieren.

Wir wandern jetzt immer weiter nach innen. Zuerst einmal mit unserer Wahrnehmung, wenn wir singen. Kann ich den Kehlkopf in seiner Stellung wirklich wahrnehmen? Das können wir zum einen von außen, indem wir sanft unseren Finger auf den Kehlkopf legen und spüren, was er tut. Darf er sich beim Einatmen senken? Hebt er sich beim Singen wieder?

Fragen bei der Kehlkopfsenkung

Wenn er sich beim Singen hebt, tut er das gleich zu Beginn? Oder erst am Ende einer Phrase? Tut er es bei bestimmten Vokalen? Tut er es in Bezug zur Tonhöhe? All das sind sehr interessante Fragen, die Rückschlüsse darüber zulassen, wie die Atmung beim Singen organisiert wird und wie unsere Artikulation gestaltet ist.

Und all das garniert mit dem Nervensystem

Und natürlich geht all das nicht ohne unser Nervensystem.

Wenn es um Körperhaltung geht, haben wir das Periphere Nervensystem immer dabei, was unsere Körperhaltung steuert.

Aber es ist nicht ausschließlich dazu da, dem Körper und den Extremitäten zu sagen, wie sie sich halten und bewegen sollen, nein, das wäre zu simpel gedacht. Es beeinflusst auch unsere Haltung, u.a. durch die Emotionen, die autonom durch unsere Organwelt erschaffen werden. Wie es in unserem Bauch aussieht, wie unsere inneren Bauchgefühle im Gehirn interpretiert werden, das sind die Emotionen, die wir fühlen und benennen können. 

Sicher kennst du, dass du die Stimmung deiner Schüler:innen schon an ihrer Haltung sehen kannst, wenn sie zur Tür hereinkommen.

Gefühle, Mädchen traurig, junge Frau glücklich und Frau wütend

Und auch du selbst kannst dich je nach Stimmung mit Leichtigkeit aufrichten oder hast das Gefühl, dass deine Schultern an einem anderen Tag doppelt so schwer sind und dich wie mit Blei gefüllt nach unten ziehen.

Weitere Informationen und Übungen, die dein Nervensystem unterstützen findest du in meinem E-Book.

Hierarchieebenen der Stimme

Ich habe mit guter Absicht die Reihenfolge für die Themen für mehr Leichtigkeit im Gesang gewählt, denn es gibt eine Hierarchie. Vereinfacht könnte man sagen: Wenn du deinen Körper als Instrument gut aufbaust, dich also entsprechend dem, was das Singen braucht, aufrichtest, kannst du gut atmen. Dann kann sich dein Kehlkopf flexibel senken und der Resonanzraum ist geöffnet. Und voilà, du hast alle Zutaten, die du für einen anstrengungslosen und leichten Klang brauchst.

Hierarchie Ebenen Körper Atmung Resonanzraum Kehlkopf bildlich dargestellt
Hierarchieebenen

In dieser Hierarchieabfolge kannst du dich beobachten:

  1. Wie aufgerichtet stehe ich?
  2. Atme ich wirklich groß ein?
  3. Wie ist mein Atemweg gestaltet? Höre ich Nebengeräusche oder geht es ohne?
  4. Wie ist mein Resonanzraum, mein Rachenraum beim Singen?
  5. Darf der Kehlkopf sich beim Atmen und Singen flexibel nach unten bewegen?

Das ist nichts, was du von heute auf morgen erreichen kannst. Es braucht Zeit und aller Wahrscheinlichkeit auch über kurz oder lang eine:n Lehrer:in.

Eugen Rabine und sein Lieblingssatz "es braucht Zeit"

Aber fange ruhig an zu experimentieren. Selbstwahrnehmung beim Singen ist eine sehr gute Sache, denn so bekommst du langsam aber sicher ein Gespür dafür, was du machst, was du brauchst und was du an deiner Stimme gern magst. Du bekommst mit, was du schon gut kannst und wobei du dir vielleicht Unterstützung holen möchtest.

Du kannst merken, was hilfreich ist und was nicht so sehr. Viel Spaß beim Ausprobieren und Singen. 🙏

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