Hilkea Knies am Klavier mit Klavierauszug

Meine Story, mein Warum

In den letzten Wochen habe ich mich viel mit Geschichten beschäftigt. Mit meinen ganz eigenen Lebensgeschichten.

Vor längerer Zeit schrieb ich in dem Artikel Stimme und Meditation über die Narrative, über die Geschichten, die wir uns immer wieder über uns selbst erzählen. Oft kommen diese Narrative aus eigenen Erfahrungen, die wir gemacht haben und die uns geprägt haben.

Und nun gehe ich meinen eigenen Narrativen auf den Grund. Ich hole die alten Geschichten aus ihrer Kiste und klopfe sie ab. Ich schaue sie mir neugierig und interessiert an.

Hey, was hast du für mich getan, Story? Was hast du in meinem Leben für Wirkungen entfaltet? Bist du heute noch aktiv in mir? Wenn ja, in welcher Art und Weise? Kann ich dir dein Geheimnis entlocken? Wie hast du so lange überlebt?

Du magst Geschichten? Du magst persönliche Geschichten? Dann komm doch in meinen Newsletter, denn dort erzähle ich immer wieder von mir, meinen Erfolgen und nicht so erfolgreichen Geschichten im Leben.

Stimmen haben mich immer fasziniert

Wenn ich zurückdenke, kann ich sagen, Stimmen hatten schon immer eine Faszination für mich. Ich habe gerne gesungen, laut gesungen und auch gut gesungen.

Und ich liebte die Oper. Mit 12 Jahren war es die Zauberflöte von Mozart. Die Königin der Nacht mit ihrem mitternachtsblauen Mantel, der den ganzen Horizont der Opernbühne ausfüllte, faszinierte mich und nachdem ich einen Querschnitt, damals noch auf Schallplatte bekommen hatte, sang ich alle Rollen mit. Ich war die Königin, ich war die Pamina und ich war Sarastro.

Wagner und der Liebeskummer

Später, mit 17 zog mich Wagner in seinen Bann. Keine Oper von ihm war mir zu lang, kein Text erschien mir merkwürdig. Ich stand in der Premiere vom Parsifal, weil ich sonst nichts hätte sehen können und die Zeit verging wie im Flug.

Ich war mit meiner besten Freundin etwa drei bis vier Mal in der Woche in der Oper. Wir waren total begeistert und fachsimpelten über Stimmen bis tief in die Nacht.

Und wenn ich Liebeskummer hatte, dann tröstete mich Birgit Nilsson als Isolde.

Ich nahm klassischen Gesangsunterricht und wollte irgendwann Gesang studieren. 

Die Zeit an der Musikhochschule

Ich sehe mich wieder in der Zeit, als ich an der Musikhochschule Hannover Operngesang studierte.


Ich bin so glücklich, weil ich diesen begehrten Studienplatz bekommen habe. Endlich bin ich da, wo ich schon so lange sein wollte. Den weiteren Unterricht bekomme ich kostenlos, ich muss nicht mehr alles selbst bezahlen. Schauspiel, Korrepetition und Gesang, alles im Studium dabei. Endlich Musik, Gesang studieren. Alles, was mir angeboten wird, nehme ich mit und hänge mich zu 100 % rein. Ich fühle mich wie in einem wunderbaren Traum.


Eines Tages wollte eine Sängerin ihren Unterricht in Korrepetition bei einem der gefragten Korrepetitoren nicht wahrnehmen, ich bot mich sofort an, an ihrer Stelle hinzugehen. Repertoire, was ich arbeiten konnte, hatte ich genug.

Und ich gab auch in dieser Stunde alles. Mir machte es unglaublich Spaß und ich hatte viel gelernt. Ich fragte ihn, ob ich immer mal kommen könnte, wenn jemand ausfallen würde. Doch er sagte: “Ich werde nicht weiter mit Ihnen arbeiten. Sie haben zu große stimmliche Probleme. Sie geben sich Mühe, Sie sind musikalisch, aber Sie können nichts von dem umsetzen, was ich gerne möchte.” Einen kurzen Moment war ich sprachlos, doch dann brach es aus mir heraus: “Ich habe keine stimmlichen Probleme, mit meiner Stimme ist alles in Ordnung, ich habe technische Probleme und ich gehe davon aus, dass ich hier lerne, sie zu überwinden.” Die kleine Diskussion ging weiter und am Ende meinte er nur lapidar: ” … und wissen Sie, Frauen werden nicht schöner mit dem Alter.”

Da war ich wirklich sprachlos. Ich war tief getroffen. Und ich war wütend.

Ich schwor mir in diesem Moment, dass ich das klassische Singen so lernen würde, dass niemand mehr solche Dinge zu mir sagen würde.

Und ich würde genau verstehen, WIE man dieses Ziel erreicht. Nicht nur allein für mich, sondern auch für meine Schüler:innen. Denn ich unterrichtete zu diesem Zeitpunkt auch schon, weil ich es schon immer geliebt habe, mein Wissen weiterzugeben.

Meine Schüler:innen sollten diese Erfahrungen nicht machen müssen.

Ich machte mich auf den Weg zu einer guten Technik für meine eigene Stimme und einer guten Pädagogik.

Tipps und Tricks rund um die Gesangstechnik und die Pädagogik findest du immer wieder in meinem Newsletter:

Rabine-Methode® und Somatic Experiencing®

Zum Ende meines Studiums fand ich endlich einen Lehrer, bei dem ich das Singen wirklich lernen konnte. Bei Eugene Rabine lernte ich nicht nur das Singen, sondern vor allem auch das Unterrichten. Über viele Jahre war ich bei ihm sowohl im Unterricht als auch in seinen Fortbildungen für Gesangspädagog:innen und Logopäd:innen.

Eines Tages nahm ich an einem Einführungskurs im Rabine-Institut für Somatic Experience® für Sänger:innen teil. Es ging um Trauma und Nervensystem. Wir machten ein ganzes Wochenende verschiedene Körperübungen, die ich größtenteils kannte, aber noch nie auf diese Weise ausgeführt hatte. Alles ging sehr langsam und mit viel Achtsamkeit.

Drei Wochen danach kam ich zum Gesangsunterricht. Ich hatte zwischendurch nicht viel gesungen.


Ich stehe vor dem Flügel und merke, da ist etwas total anders. Auf einmal habe ich keine Angst mehr. Ich fühle mich sicher, ich habe Lust und Neugier zu experimentieren. Hatte ich etwa die ganze Zeit im Gesangsunterricht Angst? Das kann ich kaum glauben.


Bis zu dem Zeitpunkt habe ich gar nicht gewusst, dass ich die ganze Zeit selbst im Unterricht Angst hatte. Es war eine unglaubliche Stunde, an deren Ende wir beide mit Tränen in den Augen dastanden und er sagte zu mir: “Ich habe sehr lange darauf gewartet, dass das möglich ist, was heute passiert ist. Ich bin sehr glücklich.“ Und genauso ging es mir auch. 

Das war der Moment, in dem ich wusste, ich möchte diese beiden Dinge miteinander verbinden. Die Rabine-Methode®, nach der ich zu dem Zeitpunkt schon lange unterrichtete und die Verbindung ins autonome Nervensystem.

Ich fuhr nach Hause, meldete mich bei der nächstmöglichen Ausbildung in Somatic Experiencing® an und fing an, dies Wissen in die Rabine-Methode® zu integrieren.

Und damit begann das nächste große Abenteuer. Denn ich durfte noch viel mehr lernen, welche Rolle mein Nervensystem bei meiner Stimme spielte.

Die Themen meiner Sprechstimme

Denn mein Lehrer hatte immer mal wieder angemerkt, dass ich auch an meiner Sprechstimme arbeiten sollte. Ich sprach mit viel mehr Druck als ich es im Gesang tat. Nach jeder Gesangsstunde war die Sprechstimme verändert. Viel weicher, modulationsfähiger, aber auch ich als Mensch war weicher geworden, nahbarer und verletzlicher – auf eine gute Art. Lange fiel es mir schwer, das auch in die Sprechstimme auf Dauer mitzunehmen. Aber nach einigen Sessions in Somatic Experiencing® fing sich etwas grundlegend an, in mir zu verändern. Und auf einmal hatte ich den Mut so zu sprechen, wie es meine Stimme eigentlich schon lange wollte.

Ich war nicht mehr darauf angewiesen, eine Gesangsstunde zu haben oder Singen zu üben, damit meine Sprechstimme sich für kurze Zeit verändern durfte, sondern ich konnte durch bloße Achtsamkeit, Langsamkeit und Atmung meine Stimme in diese regulierten Zustand beim Sprechen bringen.

Und nicht nur meine Stimme regulierte sich, sondern ich als ganzer Mensch. Ich konnte fühlen, wie ich über meine Stimme, über meine Sprache, über meinen Gesang anfing, mein Nervensystem zu regulieren. Auf einmal gab es Wirkung UND Rückwirkung.

Ich konnte es erst gar nicht fassen. Meine Stimme war mein größtes Schutzsystem, meine größte Sicherheit, meine Möglichkeit der Regulation, es war wie ein Wunder.

Sicherheit und meine Methode

Und genau das kennzeichnet meine Arbeit heute, denn ich bin zutiefst davon überzeugt und habe selbst erlebt, dass Stimme und autonomes Nervensystem sehr eng zusammengehören.

Ich unterstütze Sänger und Sängerinnen, vor allen Dingen Opernsänger:innen und Sänger:innen, die auf der Bühne stehen, darin, auf der einen Seite ihre Technik zu verändern, sodass sie sich ihrer Stimme sicher sein können, aber sich auch sicher auf der Bühne zu fühlen. So können sie ihrer Freude, Begeisterung und Musikliebe auf der Bühne höchsten Ausdruck verleihen. Manchmal geschieht es, dass durch die Veränderung der Technik automatisch Sicherheit auf der Bühne eintritt. Und in anderen Fällen, dass durch die Arbeit mit dem Nervensystem die gut gelernte Technik auf einmal auch auf der Bühne abrufbar wird. Die beiden gehören einfach zusammen und wo der Ansatzpunkt ist, das ist von Sänger:in z Sänger:in etwas unterschiedlich.

Sicherheit ist das zentrale Thema, wenn wir uns auf Neues einlassen wollen. Sei es beim Üben, in der Probe oder vor allem auf der Bühne.

Aber nicht nur dort, sondern im ganzen Leben. Diesen großen Shift durfte ich erleben und den gebe ich heute weiter. Damit es nicht ums Überleben, sondern um gelebtes, lebendiges Leben geht, auf der Bühne und wo immer wir sind.

Interessiert dich meine Arbeit mit der Stimme? Dann komm doch gerne in meinen Newsletter. Du erfährst mehr über meine Arbeit, mein Schreiben. Du bekommst Tipps rund ums Singen und das Nervensystem und bist immer top informiert.

Ich freue mich auf dich. 🙏

6 Kommentare zu „Meine Story, mein Warum“

  1. Liebe Hilkea, was für eine starke Geschichte! Ich fand das sehr bewundernswert, dass du dich bereits im Studium dem Druck widersetzen konntest und deinem Pädagogen kontra geben. Ich singe seit einigen Monaten in einem Gospelchor und erlebe Singen so kraftvoll und als unglaublichen Glücksmacher 🙂 Liebe Grüße aus Wien. Natalia

    1. Liebe Natalia,
      ja Singen ist wirklich ein Glücklich-macher, gerade wenn man in einem Chor singt. Das habe ich auch als Chorleiterin immer wieder erleben dürfen, wie viel es meinen Sänger:innen gegeben hat. Eine kleine, aber sehr berührende Geschichte: Eine Sängerin in meinem Chor sagte mir eines Tages, dass sie seit sie bei mir singt die Dosis ihrer Antidepressiva um 50% herunterfahren konnte. Die Chorprobe und unsere Auftritte waren ihre Highlights.
      liebe Grüße nach Wien und weiterhin ganz viel Spaß beim Singen, Hilkea

  2. Wir lieben doch alle solche konstruktiven Einschätzungen von Hochschulpädagog:innen. (ironie off) Mein absoluter Favorit: “Sie haben eine schöne Stimme, aber für den Beruf/die Bühne ist das nichts. Dort singen nur die Besten”. Aber es ist immer wieder schön zu sehen, wie solche Menschen einen nie wirklich abhalten können seinen Weg weiter zu verfolgen. Liebe Grüße!

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