5 Übungen aus der Rabine-Methode

Die Rabine-Methode ist eine Gesangsmethode, die auf der Basis der anatomischen, physiologischen, neurologischen, biologischen und psychologischen Grundlage der Stimmfunktion aufbaut.
Das klingt erst einmal entsetzlich theoretisch, aber es möchte damit sagen, dass der Ansatz auf wissenschaftlichen Füßen steht. Und das ist etwas, was mir von Beginn an sehr wichtig gewesen ist.

Wer hat’s erfunden und warum?

Auf Basis der Kenntnis des menschlichen Körpers und der Stimmfunktion hat der Begründer der Methode, Eugen Rabine, in Zusammenarbeit mit vielen weiteren Menschen, ganz spezielle Körperübungen entwickelt, die nicht einfach der Lockerung oder Dehnung dienen, sondern die einen genauen Zweck erfüllen, der das Singen erleichtert. Wir können damit als Sänger:innen fühlen, wie beispielsweise Aufrichtung oder Atmung extrem positiv auf die Stimme einwirken können.

Und deshalb möchte ich dir 5 Übungen vorstellen, die man zu Beginn im Unterricht mit der Rabine-Methode kennenlernen wird, wenn man mit einem ausgebildeten CRT arbeitet. (CRT – Certified Rabine Teacher).

Und wer bin ich?

Hilkea Knies am Klavier

Ich selbst habe die Übungen in der Rabine-Methode in meiner Ausbildung zum CRT 1990-1994 von Eugen Rabine und seinem Team gelernt. Da ich so fasziniert von den Wirkungen der Übungen und der Theorie war, habe ich mich immer weiter fortgebildet, um noch mehr zu erfahren und zu lernen. Heute bin ich eine von nur 5 zertifizierten CRMT’s (Certified Rabine Master Teacher) und bin noch genauso begeistert von der Methode wie zu Beginn.

Allerdings ergänze ich vieles von dem, was ich mache mit Wissen aus weiteren Fortbildungen. Früh schon habe ich mich mit Körperpsychotherapie und Faszienarbeit befasst, weil mir beides essenziell für den Gesangsunterricht erschien. Und mittlerweile ist die Arbeit mit dem Nervensystem aus meinen Kenntnissen des SE (Somatic Experiencing) ein sehr wichtiger Bestandteil geworden.

Möchtest du auf kurzweilige Art etwas über das autonome Nervensystem erfahren? Dann lies doch gern in den Artikel hinein: Autonomes Nervensystems goes online.

Wenn du wissen möchtest, was mir wichtig im Gesangsunterricht ist, dann schau in mein Manifest: 21 Do’s und Don’ts in der Gesangspädagogik.

Was du noch wissen solltest, bevor es richtig losgehen kann

Kommen wir nun zu grundlegenden Übungen der Rabine-Methode. Man kann sie leicht erlernen und nutzen und kann recht schnell feststellen, was sie für einen impact auf die Stimme haben.

Zuerst kurz zur Vorgehensweise:

Wenn du wissen möchtest, was diese Übungen aus der Rabine-Methode dir bringen, dann schlage ich einen Vergleich vor. Singe eine Stimmübung deiner Wahl oder die vorgeschlagene Übung von mir zuerst ohne die Körperübung. Dann singe die gleiche Übung, auf der gleichen Tonhöhe noch einmal und nimm die Körperübung dazu.

Später kannst du gern auch zwei Körperübungen in ihrer Wirkung auf die gleiche Art und Weise vergleichen. Auch das ist spannend und zeigt uns deutlich die genau ausgewählten Bereiche, für die eine Körperübung entwickelt wurde.

Gib dir mindestens drei Durchgänge, damit du etwas Zeit hast, dich an die Übung zu gewöhnen. Das gilt übrigens auch, wenn du die Übung mit Schüler:innen ausprobieren solltest.

Übung 1: die seitliche Armhebung

Ausführung:

Hebe die Arme seitlich bis auf Schulterebene nach oben. Die Handflächen zeigen am Ende gen Decke. Gleichzeitig mit der Armhebung atme durch den geöffneten Mund ein.

Zeichnung: Annette Musall, (c)

Geeignete Stimmübung:

Es eignen sich Stimmübungen, die vor allem in die Höhe gehen und im Spannungsdominanten Register (Kopfstimme) angesiedelt sind.

Ein Lauf bis zur Quinte auf dem Vokal U oder den Vokalen U und Ü passt sehr gut zur Körperübung. Aber auch eine Tonleiter bis zur Oktave oder None auf den Vokalen U durch O zu A kann gern gesungen werden.

Worauf kannst du achten:

Bei der Körperübung ist es wichtig, dass die Arme nicht über die seitliche Linie nach hinten bewegt werden. Dann kann der Rücken in der Atmung nicht gut mitarbeiten.

Lass die Arme eher ein wenig nach vorne kommen.

Zeichnung: Annette Musall (c)

Für die Stimme eignen sich folgende Fragen: Wie leicht fühlt sich die Stimme allgemein an? Wie laufen die hohen Töne? Hat sich der Klang verändert in Richtung mehr Raum und Dominanz der höheren Frequenzen?

Wirkungsweise:

Durch muskuläre Verbindungen der Arme wird der Brustkorb geweitet. Die Schwere des Schultergürtels lastet nicht so stark auf ihm und deshalb lässt er sich leichter bewegen. Das erleichtert die Einatmung. Auch die äußeren Zwischenrippenmuskeln werden aktiviert. Durch diese Art der Einatmung kommt nicht so viel Luftdruck von unten in Richtung Stimmlippen, sodass der subglottische Luftdruck besser reguliert werden kann.

Ein kleiner, aber wichtiger Hinweis: Der Einsatz der Stimme beendet deine Einatmung. Lass also keine Pause zwischen beiden entstehen. Das gilt übrigens für alle Übungen, die ich hier beschreibe und ebenfalls bei den Arien und Songs, die du singst.

Noch mehr und spezifischer für deine hohen Töne findest du hier:

Vorlage Hohe Töne Kurs

Übung 2: Die Kniehebung

Ausführung:

Hebe während einer Einatmung ein Knie, dass es einen rechten Winkel bildet und der Oberschenkel waagerecht zum Boden ist. Der Rücken bleibt dabei aufgerichtet, der Fuß darf locker hängen. Achte darauf, dass sich der Kiefer in der Einatmung öffnen darf.

Zeichnung: Annette Musall (c)

Geeignete Stimmübung:

Du könntest einen Dreiklang abwärts singen auf den Vokalen A-O-A. Bleibe auf dem unteren Ton und gehe nicht wieder aufwärts. Wähle eine Tonhöhe, sodass du auf dem unteren Ton im massedominanten Register (Bruststimme) ankommst.

Worauf kannst du achten:

Für die Körperübung ist die Position des gehobenen Beines sehr wichtig. Darauf sollte dein Fokus liegen. Dann beobachte, ob sich dein Becken kippt und sich die Lendenwirbelsäule mehr in eine Dehnung, in eine Aufrichtung schiebt.

Was die Stimme betrifft, achte auf den Klang. Wird er voller, dunkler, lauter?

Wirkungsweise:

Dies ist eine Übung, die den trachealen Zug anregt. Dabei wird über die Beinhebung eine Wirkungskette in Gang gesetzt. Durch einen Muskel vom Bein zur Lendenwirbelsäule (M. Psoas) werden die hinteren Teile des Zwerchfells zur Senkung animiert. Zudem wird das Becken leicht gekippt, so dass sich die Aufrichtung verbessert. Nun zieht das Zwerchfell an der Lunge (das tut es ohnehin, aber jetzt noch etwas mehr), die Bronchien in der Lunge ziehen an der Luftröhre. Deren oberster Knorpel ist unser Kehlkopf. Dieser sinkt und muss nicht nach unten gedrückt werden. Wir bekommen einen längeren Vokaltrakt, damit mehr Raum und mehr Klang. Die Masse der Stimme wird angeregt, es wird lauter, dunkler und müheloser.

Übung 3: Die Hocke

Ich nenne diese Übung auch manchmal liebevoll “Die Zweibeinhebung”, denn sie lässt dich die Einflüsse, die wir bei der Kniehebung haben, noch deutlicher spüren, denn diesmal sind beide Beine involviert.

Ausführung:

Gehe während einer Einatmung in die Hocke. Achte darauf, dass die Hacken gehoben bleiben, sodass du sehr aufrecht sein kannst. Lass dich auch diesmal durch den geöffneten Mund einatmen.

Zeichnung: Annette Musall (c)

Geeignete Stimmübung:

Siehe unter Kniehebung.

Worauf kannst du achten:

Die Aufrichtung im Rücken ist auch bei dieser Übung wichtig. Beuge dich also nicht zu weit nach vorne, sondern bleibe aufrecht. Wenn es dir schwerfällt, das Gleichgewicht zu halten, dann stelle gern einen Stuhl vor dich hin und halte dich leicht mit den Händen auf der Sitzfläche fest.

Beobachte, wie sich dein Becken kippen darf. Auch der Kiefer kann sich vielleicht leichter öffnen, wenn du es erlaubst. Kannst du spüren, wie sich dein Kehlkopf bei der Einatmung leicht senkt? Das tut er bei dieser Übung ganz von allein, du brauchst nicht mit der Zunge nachzuhelfen.

Wirkungsweise:

Die Erklärung ist ähnlich wie bei Übung 2. Durch die Verbindung vom Bein zur Lendenwirbelsäule kann sich über die Kette des trachealen Zugs der Kehlkopf senken und du wirst einen anderen Klang bekommen. Auch das Becken muss sich kippen. Diese Übung mit Hohlkreuz auszuführen, erfordert einiges Geschick. 😉

Übung 4: Ballengang

Ausführung:

Gehe während der Einatmung auf die Fußballen. Während des Singens bleibe in dieser Position.

Variation:

Du kannst auch während des Singens auf den Fußballen durch den Raum gehen. In einer weiteren Variation kannst du auch wieder ins Stehen kommen und wahrnehmen, ob du genauso tonisiert stehen kannst, wie du es beim Ballengang oder Ballenstand erlebst.

Geeignete Stimmübung:

Du kannst hier auf einem Ton singen. Je nachdem, wo du dich momentan wohler fühlst, nimm die Kopf- oder Bruststimme. Die Vokalfolge kann zuerst U-O-A-O-U sein, dann kannst du sie zu U-O-A-E-I-E-A-O-U ausweiten.

Auch eine Tonleiter auf den Vokalen U-O-A-O-U eignet sich sehr gut. Beginne mit dem Vokal U unten, komme über O zu A auf dem obersten Ton und dann in der umgekehrten Reihenfolge wieder abwärts.

Worauf kannst du achten:

In dieser Übung ist es wichtig, dass du darauf achtest, gerade aufgerichtet zu bleiben. Es passiert schnell, dass man in eine Rücklage kommt, das ist nicht so günstig für die Aufrichtung, wie du dir denken kannst. 😉

Die Wahrnehmung des Tonus ist das Wichtige an dieser Übung. Denn den brauchen wir in einer sängerischen Aufrichtung immer, wenn wir unser Instrument optimal gestalten möchten.

Wirkungsweise:

Durch das Hochschieben auf die Ballen bekommst du eine deutlich stärkere Tonisierung im gesamten Fuß-Bein-Becken Bereich, was deine Aufrichtung fördert. Um gut einatmen zu können, brauchen wir eine tonisierte Wirbelsäule, denn sie kann in ihren Gelenken und der dazugehörenden Muskulatur ganz anders reagieren für die Einatmung, wenn sie aufgerichtet ist. Und Einatmung ist – wie wir bei der kurzen Erklärung des trachealen Zugs schon gesehen haben – eine wichtige Voraussetzung, um genug Platz im Resonanzraum zu haben und damit müheloser und kräftiger singen zu können.

Übung 5: Das Glissando

Ausführung:

Jetzt bekommst du eine Stimmübung. Das Glissando (vom italienischen: gleiten, rutschen) ist eine sehr wichtige Stimmübung. Du kannst es im Rahmen einer Quinte oder einer Oktave machen. Die Richtung ist abwärts und dann wieder aufwärts.

Beginne auf dem oberen Ton mit dem Vokal U. Während du abwärts gleitest, mit allen Tonhöhen, die du dazwischen erwischen kannst, gehe langsam zum Vokal O und dann zu einem offenen O bis du unten auf dem Vokal A ankommst. Den gleichen Weg nimmst du auch wieder zurück.

Variation:

Du kannst auch zwei Glissandi direkt hintereinander singen, mit der Vokalfolge U-O-A-E-I-E-A-O-U.

Klavier mit einer Hand für ein Glissando. Noten für die Ausführung des Glissando
Glissando in der Stimme ist anders als auf dem Klavier.

Geeignete Körperübung:

Da du jetzt eine Stimmübung machst, stellt sich die Frage andersherum. Welche Körperübung könnte dich dabei unterstützen? Möchtest du eher die hohen Frequenzen und deine Kopfstimme betonen, dann nimm die seitliche Armhebung dazu. Oder möchtest du mehr Dunkelheit und Leichtigkeit auf dem tiefen Ton haben, dann wähle die Kniehebung. Geht es dir um mehr Tonus und Dynamik, dann wähle das Gehen auf den Fußballen. Dabei kannst du dann allerdings nicht mehr so gut die Feinheiten der Vokalbewegung wahrnehmen. Also wäre es günstig, wenn du diese Körperübung erst später dazu nimmst.

Worauf kannst du achten:

Eine sehr wichtige Sache bei dieser Übung ist der Vokal O in der geschlossenen und offenen Form. Lass ihn wirklich hören, denn er ist für die Gestaltung deines Resonanzraums, des Vokaltraktes wichtig. Dann kannst du auch merken, dass der Übergang von Kopf- zu Bruststimme leichter fällt. Besonders in der Frauenstimme liegt der große Übergang immer innerhalb dieser Übung.

Tonhöhen für diese Übung sind für Männer und Frauen unterschiedlich. Frauen beginnen, wenn es sich um eine Oktave handelt bei a’ und gehen zum kleinen a. Und von dort bewege dich abwärts so lange wie es geht und sich für dich bequem anfühlt.

Männerstimmen, vor allem Tenöre, können auf dem c’ beginnen und sich von dort aus abwärts bewegen. Baritone und Bässe starten gern auf dem kleinen a oder b und gehen von dort abwärts.

Wirkungsweise:

Durch das Gleiten, was sich ein wenig nach einer Sirene anhört, kann die Ästhetik des Klanges erst einmal in den Hintergrund treten und das ist manchmal sehr gut, wenn wir Neues lernen möchten. Du hast viel Bewegung innerhalb dieser Übung, denn du hast nicht nur ein Tonhöhenglissando, was die Geschmeidigkeit der Muskeln für die Tonhöhenveränderung trainiert, sondern du hast auch ein Vokalglissando, wo du die Artikulation in Richtung einer sängerischen Artikulationsbasis trainierst. Das ist sehr wichtig, denn Singen ist NICHT sprechen auf Tonhöhe, sondern verlangt eine andere Artikulationsbasis, die erst trainiert werden muss.

Wie kann es für dich weitergehen?

Ich hoffe, du hast die Übungen für dich wirkungsvoll umsetzen können und konntest dabei die eine oder andere stimmliche Veränderung fühlen.

Möchtest du noch mehr Übungen ausprobieren, die aus der Rabine-Methode kommen? Hier kannst du speziell Übungen für deine hohen Töne finden:

Vorlage Hohe Töne Kurs

Diese Übungen aus der Rabine-Methode sind als ein erster Schritt gedacht, neue und tolle Erfahrungen mit der Stimme machen zu können. Und das völlig unabhängig, ob du gerade erst mit dem Singen angefangen hast oder ob du Profi Opernsänger:in bist.

Ich habe diese Übungen schon mit großem Erfolg bei Sänger:innen angewendet, die lange auf der Bühne stehen und ihre Stimme weiter entwickeln wollten. Oder die Schwierigkeiten bei bestimmten Themen mit ihrer Stimme hatten.

Sicherlich weißt du, dass man aus Büchern nicht wirklich singen lernen kann. Auch nicht durch YouTube Videos, wie manche es immer wieder versuchen. Du wirst also auch nicht aus meinen Blogartikeln und seien sie noch so klug und richtig das Singen lernen. Ich habe das damals bitter erfahren müssen, als ich dachte, dass ich die Defizite, die ich bei mir und meinen Lehrer:innen sah, durch das Lesen von schlauen Büchern ausgleichen könnte. Wenn du es wirklich ernst meinst mit dem Gesang, hilft am Ende nur eine kompetente Lehrperson. Aber wenn du diese Übungen aus der Rabine-Methode ausprobierst, kannst du einen Schritt weiterkommen und vor allem merken, ob du Lust hast, weiter auf diese Art das Singen zu lernen oder deine Technik zu verbessern.

Die Feinheiten, die jede Übung in sich birgt und all die kleinen Stolperfallen, in die wir treten können, sind am besten zu umgehen, indem du zu einem ausgebildeten CRT gehst. Er oder sie können dir zeigen, wie du die Körperübung effizienter gestalten kannst, sodass du alle Vorteile für deine Stimme erleben kannst, die sich dir bieten.

Ich hoffe, ich konnte dir mit diesen Übungsanweisungen einen neuen Einblick und ein gutes Erleben deiner eigenen Stimme vermitteln und du bist neugierig geworden. Denn Neugier, was die eigene Möglichkeit der Entfaltung der Stimme angeht, ist ein so wichtiger Punkt, sei es als Anfänger:in oder als Profisänger:in.

Möchtest du mehr von mir lernen, dann schaue gern in diesen Selbstlernkurs zu den hohen Tönen hinein:

Vorlage Hohe Töne Kurs

8 Kommentare zu „5 Übungen aus der Rabine-Methode“

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